Kaum zu glauben. Seit nunmehr einem Jahr wohnen wir hier. Hier in Gonsenheim. Ihr wisst, wie schwer mir der Wegzug aus der Neustadt gefallen ist. Sind wir doch die klassischen Frühstücks-Junkies, die jedes Café in der Neustadt besucht haben. Wie sehr habe ich die Nähe zum Rhein genossen. Mit dem Fahrrad an der Promenade entlang in Richtung Altstadt oder auch zur Arbeit. Eine Lebensqualität, die für mich kaum zu vergleichen war. Und natürlich der emotionale Aspekt. Die erste gemeinsame Wohnung mit dem Mann. Viel haben wir in diesen vier Wänden in unseren 8 Jahren erlebt. Wir haben gefeiert, wir haben uns für unsere Hochzeit umgezogen, wir sind zum ersten Mal mit unserer kleinen Tochter nach Hause gekommen. Niemals werde ich all das vergessen. Bei der Schlüsselübergabe flossen Tränen.
Doch dass ein Abschied nötig würde, was schon länger klar. Nur wohin es uns verschlagen würde nicht. Dass wir die Stadtgrenze nicht verlassen wollen, war klar. Im Grunde wollten wir gerne in der Neustadt bleiben, bezahlbar mit vernünftigen Rahmenbedingungen war das aber kaum. Und ein Haus stand auch immer mal zur Diskussion. Mit Liebe auf den ersten Blick mit einem Haus in Gonsenheim konnte keiner rechnen.
Am 1. Mai 2016 bauten wir also unser Bett in Gonsenheim auf. Der einzige Stadtteil, der für mich noch überhaupt in Frage kam. Obwohl ich ihn kaum kannte. Aber man hat da ja so ein Bauchgefühl. Und das hat uns nicht betrogen.
Denn wir fühlen uns unfassbar wohl. Ich möchte nicht bestreiten, dass mir der lange Weg aus der Altstadt manchmal etwas ausmacht. Dass man nicht einfach nach Hause laufen kann. Dass der Rhein so weit weg ist. Und man nicht mal schnell in eines der Cafés hüpft, sondern immer Bus und Straßenbahn im Spiel sind.
ABER. Dieses Haus ist unser Ruhepunkt. Es birgt eine Ruhe und Gemütlichkeit, nach der ich lange gesucht habe. Die Wohnung in der Neustadt war super, aber es war nie ein richtiger Ort der Ruhe. Das ist das Haus schon. Wir haben diese Dachterrasse mit Blick auf St. Stephan. Dort bei lauen Sommerabenden ein Glas Wein zu trinken ist wie im Urlaub zu sein. Tatsächlich reden wir häufig darüber, dass Tage zu Hause sich wie Urlaub anfühlen.
Unser Haus ist sehr eingekesselt von anderen Häusern. Wir haben nur einen Miniatur-Garten, aber einen schönen Hof und eine schöne Terrasse, die wir häufig mit Freunden genießen. Wie genießen es, dass auch mal 6-8 Leute bei uns übernachten können. Und wir genießen es, mit 12 Leuten auf der Terrasse zu grillen oder bestellte Pizza zu essen und ein Bier zu trinken. Wir lieben es, Freunde bei uns zu haben.
Und wie ist Gonsenheim? Ich mag es. Natürlich ist in Gonsenheim alles 10 Spuren weniger hip als in der Neustadt. Am Anfang war das tatsächlich ein kleiner Kulturschock. Die Cafés sind schön, aber eben ein wenig langweiliger. Abends sind früher alle Bürgersteige hochgeklappt.
Und trotzdem fühle ich mich unglaublich wohl. Denn wir genießen es, an einem Samstag morgen auf den (natürlich kaum zu vergleichenden) Wochenmarkt zu gehen. Danach schlendern wir nicht selten noch die Breite Straße auf und ab, um verschiedene Erledigungen zu machen. Unser Glück, dass wir so zentral im alten Ortskern wohnen. Denn schon immer schlendern wir samstags gerne einfach in der Stadt rum und lassen uns Zeit. Nun eben öfter in Gonsenheim als der Alt- oder Neustadt. Es gibt Tage da fehlt mir die Innenstadt, aber ganz häufig ist mir Gonsenheim völlig genug.
Es gibt unzählige tolle Kneipen und Lokale. Leider nehmen wir diese weniger wahr, als wir das manchmal gerne möchten. Aber das ändert sich eines Tages ja auch wieder. Doch allein das Wissen, dass man in Laufnähe etwas unternehmen KANN, ist schon ein schönes Gefühl
Ich liebe die Nähe zur Natur. Das Gonsbachtal ist nur 5 Minuten entfernt, der Wildpark und der Wald 10 Minuten. Gerade mit Kind ist das einfach ganz wundervoll und wir bekommen nicht genug davon. Ich liebe diese vielen kleinen Straßen im alten Ortskern. Viele Häuser sind unfassbar schön saniert worden und geben ein tolles Bild ab.
Es gibt viele Höfe, das war mir vorher nicht klar. Mit ein bißchen Glück steht hier und da mal ein Tor offen. An einer befahrenen Straße, an der man sonst nur die Häuserfronten sieht. Und plötzlich schaut man in eine ganz neue Welt, die sich noch hinter diesem Haus befindet. Mit alten Scheunen, mit Gärten, mit ganz viel Liebe. Eigentlich möchte ich im Sommer mal eine Tour machen und in diese Hinterhöfe fotografieren, wenn es denn möglich ist. Diese Welt hinter den Toren ist sososo schön!
Tja, und dann gibt es da noch die Menschen. Wir haben wirklich tolle Nachbarn. Nicht mit allen hat man viel Kontakt, aber alle sind wahnsinnig nett und offen. Wir sind so dankbar, in eine so nette Straße gekommen zu sein. Natürlich sind wir nicht in einem Neubaugebiet, in dem unzählige Nachbarn mit Kindern im gleichen Alter wohnen. Aber das können wir verkraften.
Wir haben in Gonsenheim eine kleine Oase gefunden, auch dank dieses besonderen Hauses. Mir fehlen Dinge…keine Frage. Aber in der Neustadt hat mir so manches auch gefehlt. Aus meiner Sicht haben wir die ideale Mischung aus „raus aus der Stadt“, aber nicht „raus aufs Land“ gefunden. Denn genau das ist unser Ding. Ich möchte Busse und Straßenbahnen haben, die mich schnell irgendwohin bringen, ohne immer auf das Auto angewiesen zu sein. Ich mag es aber auch, wenn mein Kind aus der Haustür gehen kann, den Nachbarn winkt und nicht sofort von vorbeirasenden Autos bedroht ist.
Gonsenheim ist nicht die Neustadt. Aber durch diesen eigenen Kern, die eigene Infrastruktur hat es den Umzug sehr einfach gemacht. Wir fühlen uns willkommen. Ab Sommer geht die Mini-Mainzerin dann auch in einen Gonsenheimer Kindergarten. Ich denke, das wird nochmal ein Schritt mehr zum Ankommen.