Da wo ich herkomme, da heißt das Fasching. Da wo ich herkomme, da mochte ich es überhaupt nicht. Und deshalb kann ich auch jeden absolut verstehen, der dieses ganze Treiben nicht besonders mag.
Aber jetzt wohne ich nicht mehr da, wo ich herkomme. Jetzt wohne ich in Mainz. Und in dieser Stadt feiert man Fassenacht! Und die Fassenacht mag ich.
Jemand Außendstehenden zu erklären, warum die Fassenacht irgendwo doch ziemlich cool ist und sehr viel Spaß macht, wenn man in der richtigen Stadt wohnt, ist kaum möglich. Ich war noch nie in Köln oder Düsseldorf, da wird es ganz sicher nochmal 10 Stufen mehr gefeiert. Doch ich mag auch die Stimmung hier in Mainz. Schon ab dem 11.11. sieht man die ersten Kostüme. Doch ab Altweiberfastnacht geht es so richtig los.
Am vergangenen Donnerstag musste ich zum Kinderarzt. Wer begegnete mir da? Ein Engel an der Anmeldung. Und dann ein Teufel, der uns ins Behandlungszimmer führte. Wem zaubert das nicht ein Lächeln auf die Lippen? Anschließend musste ich zur Bank. Wer begegnete mir da? Ein Marienkäfer, ein Cowboy und noch mehr Engelchen.
Wisst ihr, was die Fassenacht hier so schön macht? Die Leute verkleiden sich nicht und schämen sich gleichzeitig dafür oder befürchten blöd angeguckt zu werden. Nein, denn das muss man hier nicht. Man freut sich mit! Und wenn ich am Fastnachts-Sonntag von außerhalb zurück in die Stadt fahre und man sieht wie selbstverständlich Bienen, Teufel, Frösche, Clowns und Cowboys durch die Straßen laufen, dann geht mir einfach das Herz auf. Weil diese Stadt einfach macht und sich miteinander freut!
Das Herz gebrochen wurde mir dann jedoch, als am Sonntag Abend um 19.11 Uhr die Pressekonferenz des MCV startete (wobei ich am liebsten schon wieder alle geknuddelt hätte – selbst Pressekonferenzen werden konsequent um 19.11 Uhr abgehalten). Die Pressekonferenz, auf der unser wunderbarer Rosenmontags-Umzug abgesagt wurde. Auch ich schaue ihn mir nicht jedes Jahr von A bis Z an. Aber der Zug trägt einfach zur Stimmung in der Stadt bei. Er verbindet alle Straßen und entlässt am Ende alle auf ihre eigene Party. Traurig fand ich es aber auch für alle, die sich so unglaublich viel Mühe gegeben und natürlich darauf gefreut haben!
Aufgeregt haben mich die ganzen Verschwörungskommentare. Warum man den Zug nicht morgens absagt? Mir ist völlig unbegreiflich, dass Menschen nicht verstehen können, dass das organisatorisch einfach unglaublich schwierig ist. Meinen denn diese Leute, dass der Umzug um 11.11Uhr vom Himmel auf die Straße fällt? NATÜRLICH wird der vorher aufgebaut. Die Wagen müssen doch erstmal gebracht werden und (davon habe ich keine Ahnung, aber ich gehe davon aus) ggfs. wird vorher auch nochmal an den letzten Stellen ausgebessert. Das ist doch ein Prozess der lange vorher startet! Auf die sonstigen Verschwörungstheorien will ich erst gar nicht weiter eingehen. Vor allem sind es dann meisten genau die gleichen Menschen, die meckern, wenn tatsächlich etwas passiert. Lasst doch mal einen größeren Ast auf ein Kind fallen, einen Dachziegel jemanden treffen oder bei einem Wagen fällt die Konstruktion ab und in die Menge rein. Dann ist doch das Geschrei noch größer. Warum sollte ich mich beschweren, wenn mich jemand versucht zu schützen? Selbst wenn es irgendwelche anderen Verschwörungs-Gründe haben SOLLTE?! Spaß hängt nicht vom Umzug ab.
Und auch wenn so mancher den Sturm anzweifelte…in meiner Welt hat es tatsächlich gestürmt, meinen Regenschirm zerrissen und meine blaues Haarkleid vom Kopf geweht. Der Gang in die Stadt war dann wegen des fehlenden Zuges auch tatsächlich ein wenig traurig. Da lief man am Café Blumen vorbei und sah KEIN EINZGES Kostüm. Ich sah meinen gewohnten Rosenmontag schon davonwehen. Doch am Kirschgarten kam die Wende. Denn da kam die Ranzengarde angelaufen. Man spürte förmlich, wie die Menschen die Musik aufsaugten. Zuvor hatten alle noch etwas ratlos und erwartungsvoll rumgestanden. Plötzlich machte sich Begeisterung und gute Laune breit.
Die Musik führte dann in Richtung Dom und runter zum Fischtor. Dort passierte etwas, was sicherlich weniger geplant und gewollt war. Denn der Musik hatten sich Menschenmassen angeschlossen und ihren eigenen Zug gestartet. Der fand sein vorläufiges Ende mitten auf der Rheinallee. Straßenkarneval könnte man sowas nennen. Die Stimmung war Bombe. Zumindest bei den fröhlichen Straßenbesetzern, weniger bei den Autofahrern, nehme ich an.
Zwischendurch bekomme ich Nachrichten auf das Handy: Und, was macht ihr in Mainz so am Rosenmontag ohne Umzug?
Tja, wir haben gefeiert. Auf der Straße, auf den Plätzen und in den Kneipen. So wie immer. Anders und doch so wie immer. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, die ich wohl mitunter leider nie wieder sehen werde. Ich habe getanzt. Ich habe getrunken. Ich habe Spaß gehabt.
Wie ein Rosenmontag in Mainz eben so ist. Wie die Mainzer halt so sind. Außer die, die auf Facebook rummeckern mussten. Aber die hatten dann eben keinen Spaß. Selbst schuld!