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Einkaufen in der Mainzer Innenstadt

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In den vergangenen Wochen habe ich einige Artikel zum Thema „Einkaufen in Mainz“ gelesen. Hierzu gab es zum Beispiel diesen Artikel über das Monitoring des Einzelhandels in Mainz und dieser Vergleich von Merkurist zu Mainz, Wiesbaden und Frankfurt. Es werden viele Aussagen von Lesern einbezogen.

Ich denke, dass logischerweise jeder seine individuelle Sicht darauf hat, ob er nun gerne in der Mainzer Innenstadt einkauft oder nicht. Das hat mit persönlichen Erfahrungen zu tun, mit dem eigenen Einkommen, mit Bequemlichkeit und eigenen Ansprüchen.

Und auch wenn ich natürlich das eine oder andere Argument nachvollziehen kann, geht mir manchmal auch die Hutschnur hoch. Weil immer nur gemeckert wird. Weil immer die Schuld auf andere geschoben wird. Und weil nie auch mal im Ansatz reflektiert wird.

Fakt ist, dass es immer weniger individuelle Geschäfte gibt, weil sich diese kaum halten können. Stattdessen machen sich Ketten breit, die unsere Innenstädte nach und nach ziemlich uniform aussehen lassen. Das macht manchmal tatsächlich keinen Spaß. Hängt aber natürlich an unserem Konsumverhalten. Schließlich geben die Läden, in denen man „so schön bummeln kann“ nicht aus Unlust auf. Nein, es wird schlicht nicht genug gekauft. Denn vom „Gucken“ kann keiner leben.

In der Folge wird das Angebot enger und konzentriert sich auf die großen Ketten, die durch Masse Umsatz machen. Und die natürlich nicht für jedermann geeignet sind und eine Norm vorgeben, die häufig nicht passt oder vielleicht auch nicht immer gefällt, wenn man das Alter von 20 Jahren überschritten hat.

Und jetzt kommt das große ABER, das ich gerne in einzelnen Aussagen und Punkten abarbeiten möchte:

1. In Mainz gibt es kaum Auswahl an Läden, deshalb fahre ich nach Wiesbaden und Frankfurt.

Jetzt mal ganz ehrlich: ist jemandem auch schon mal in den Sinn gekommen, dass Mainz kleiner ist als Wiesbaden und Frankfurt? Dass ich eine Stadt mit 200.000 Einwohnern nicht mit einer Stadt von fast 800.000 Einwohnern vergleichen kann? Es ist ja nicht verwerflich, wenn man gerne nach Frankfurt zum Einkaufen fährt, aber das gleichzeitig in einen Vorwurf zu verpacken, finde ich unnötig und kurzsichtig.

2. Die Parkgebühren in Mainz sind so teuer.

Kann sein. Ich fahre fast nie mit dem Auto in die Stadt. Natürlich ist mir nicht entgangen, dass man praktisch nirgends kostenlos parken kann. Und wahrscheinlich wäre es auch förderlich kostenlose Parkmöglichkeiten zu schaffen und würde ggfs. etwas mehr Besucher anlocken.

Aber auch hier könnte man ja vielleicht mal ein wenig reflektieren. Denn ggfs. hat die Erhebung von Parkgebühren auch etwas mit der Finanzlage der Stadt zu tun. In Deutschland wird ja gerne so getan, als würden sich „die da oben“ alle Extra-Einnahmen (Steuern, Gebühren etc.) in die eigene Tasche stecken. Dass das vielleicht auch irgendwas mit unserer Gemeinschaft (Kitas, Kultur, Straßenbau etc.) zu tun haben könnte, bleibt dem Meckerer offenbar verborgen.

Es geht mir wahrlich nicht darum, dass man nicht auch mal kritisch hinterfragt und möglicherweise tatsächlich andere Lösungen findet. Aber so ein wenig Weitsicht und Verständnis könnte man ja schon in Erwägung ziehen.

Davon abgesehen: man kann auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren – sofern das natürlich vom Wohnort möglich ist. Da frage ich mich, wie oft Leute z.B. völlig überteuerte Getränke im Kino oder grad noch ne Packung Kerzen bei IKEA kaufen, sich dann aber wegen 2,70 (ok, ein Weg) in die Hose machen. Zudem geht man ja in der Regel nicht wöchentlich shoppen.

3. Online ist die Auswahl viel größer als vor Ort.

Klar, da kann man kaum etwas gegen sagen. Aber auch hier habe ich mir mal Gedanken gemacht und finde, dass wir an der Stelle einfach auch wahnsinnig verwöhnt sind – und da nehme ich mich nicht aus. Wie gesagt, ich glaube durchaus, dass die Vielfalt in den Städten abgenommen hat und vieles uniformer geworden ist. Jedoch ist auch unser Anspruch in den vergangenen Jahren durch das Online-Angebot gestiegen.

Fernseher, Staubsauger oder Kinderwagen? Welcher darf es sein? Um bei letzterem Beispiel zu bleiben: meine Eltern sind damals in den Laden gegangen und haben sich die 2-3 Modelle angeschaut. Einen davon haben sie dann gekauft. Ich hingegen habe erstmal rechercheriert, welche es alles gibt. Luftreifen, Maße, Giftstoffe, Design…alles wurde geprüft. Doch was tue ich, wenn ich mich entschieden habe und aus gutem Willen zum Händler vor Ort gehe, er 10 Modelle führt, aber ich eben das 11. Modell möchte? Beschwere ich mich, weil die Auswahl zu gering ist? Oder schwenke ich um auf eines der 10 Modelle? Kaufe ich dann im Internet?

Ganz ehrlich: wir sind dank der unendlichen Auswahl im Netz einfach wahnsinnig verwöhnt und ziemlich wenig kompromissbereit geworden. Wie gesagt, da nehme ich mich nicht aus. Dennoch sollte man solche Aspekte mal im Hinterkopf haben.

4. Der Service ist in Mainz so schlecht, online (z.B. Amazon) ist man serviceorientierter.

Kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung nicht bestätigen. Aber das ist natürlich sehr individuell. Da ich selbst 2,5 Jahre im Einzelhandel in der Beratung sowie an der Kasse gearbeitet habe, kann ich manchmal auch nur sagen: wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Obwohl ich mich für einen extrem serviceorientierten und freundlichen Menschen halte, können viele Kunden einem schon die Laune vermiesen. Gerade in größeren Läden, wo die Leute selbst schnell durchrennen und nur kaufen. In kleineren Läden ist die Stimmung häufig ein wenig entspannter und persönlicher.

Dann zu sagen, dass man lieber bei Amazon einkauft, weil es eine schnelle Lieferung gibt, der Service und die Auswahl gut sind und nicht mal Versandkosten anfallen, finde ich gruselig. Ich bestelle auch hin und wieder bei Amazon, aber im Grunde ist es ein Unding. Wie kann man über Arbeitsbedingungen etc. bei einem solchen Internetriesen meckern, wenn es gerade mal wieder in den Medien durchgenudelt wird, aber dann gleichzeitig alles hochloben?!

Davon mal ganz abgesehen entgeht vielen Menschen offenbar, dass beispielsweise Bücher in Buchhandlungen genauso schnell bestellt werden können. Die sind in der Regel nämlich auch über Nacht da. Und ob ich nun das verpasste Paket (weil ich tagsüber in der Regel nicht zu Hause bin) bei der Post / Packstation hole oder kurz in die Buchhandlung um die Ecke gehe, nimmt sich nichts.

Als letzten Punkt kann man an dieser Stelle auch mal reflektieren, ob die Servicequalität in Geschäften dadurch schlechter wird, dass immer billigeres Personal eingestellt wird und für Weiterbildung und ähnliches kein Geld ausgegeben wird. Dadurch sind nämlich die Waren auch billiger, die verkauft werden. Und damit konkurrenzfähiger zu den Online-Angeboten! Da beisst sich dann die Katze irgendwie in den Schwanz.

5. Dann kaufe ich halt online.

Davon mal ganz abgesehen, finde ich es auch nicht total verwerflich, online einzukaufen. Denn auch solche Shops schaffen Arbeitsplätze. Und nicht nur das, sie geben auch Designern eine Plattform, die sie sonst mit einem kleinen Laden in Hintertupfingen nicht hätten. So gibt es auch wunderbare Mainzer Designer, die ihre Produkte im Netz verkaufen. Und irgendwie kauft man dann doch auch schon wieder lokal ein, oder?!

So, jetzt sind meine Emotionen ein wenig mit mir davongallopiert und ich habe ganz schön viel gemeckert über das Meckern.

Wie schon gesagt, es ist durchaus berechtigt, Kritik zu üben und dadurch Zustände zu verbessern. Jeder sieht da auch andere Aspekte, weil sie einen selbst mehr oder eben weniger betreffen. Weil man eben außerhalb wohnt oder nicht. Weil man über 20 Jahre alt ist oder nicht. Weil man 5000 Euro verdient oder eben nicht.

Mir ist einfach wichtig zu sagen: reflektiert doch auch mal! Euch selbst, die Gesellschaft oder oder oder. Mir passt der Service auch manchmal nicht oder die Auswahl ist zu klein. Dann hab ich eben Pech gehabt und morgen ist es vielleicht besser. Es gibt keinen Anspruch auf das perfekte Shoppingergebnis.

Vielleicht seid ihr auch nur einer von wenigen, die XY kaufen möchten und daher lohnt sich das Angebot eben nicht. Dann müssen wir es halt online kaufen. Ist doch schön, dass es die Möglichkeite heute gibt. Aber vielleicht würde es uns in unserer Gesellschaft auch grundsätzlich mal gut tun, den Konsum ein wenig runterzufahren. Denn mal ganz ehrlich: alles, was wir wirklich brauchen, finden wir auch in erreichbarer Nähe.


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