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Ich kann es einfach nicht verstehen – Wahlen 2017

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Eigentlich hatte ich nicht geplant, hier und heute etwas zu schreiben. Weil ich so vieles anderes auf dem Plan habe. Doch während ich gerade Pause machte, habe ich zwei Artikel gelesen, die mich berührt haben. Ich habe alles zur Seite gelegt, weil es einfach nicht geht, dass ich nichts schreibe. Egal, ob es jemand noch lesen möchte oder nicht.

Die Bundestagswahl 2017 ist vorüber und die meisten von uns sind geschockt vom Wahlausgang. Natürlich war es vorhersehbar, dass die AfD in den Bundestag einziehen wird, aber – nennt mich naiv – ich hatte bis zuletzt gehofft, dass die Zahl nicht so groß würde. Manchmal habe ich gar gehofft, dass es lediglich ein schlechter Traum ist und einfach niemand diese unsägliche Partei wählt.

Auf Instagram habe ich mich klar geäußert zu Themen, die von dieser Partei vertreten werden. Und dass ich mich vehement dagegen stelle. Ich habe lediglich Zustimmung erhalten. Das freut mich zum einen. Zeigt aber auch, dass andere einfach nichts dazu sagen wollen. Aber unter 2400 Followern müssten auch Wähler dieser Partei sein (die ich hier gar nicht ständig namentlich nennen möchte). Im Austausch mit anderen kam heraus, dass ihnen jedoch in der Tat Gegenwind entgegen kam. Zum Beispiel von Müttern, die Angst davor haben, dass es zukünftig in der Schule nur noch um Integration geht und die Kinder nicht genug lernen.

Gerade solche Meinungen bestürzen mich zutiefst. Denn grundsätzlich kann man ja Bedenken haben, wie die Integration der vielen Kinder laufen kann. Doch die Schlussfolgerung, dann eine rechte Partei zu wählen, erschließt sich mir nicht. Denn an der Stelle geht es um Bildungspolitik, Integrationspolitik und die Lösungssuche. Nicht darum Grenzen zu schließen und Menschen zu diskrimieren bzw. auszuschließen. Welche Ängste sind denn da noch?

Was mich besonders bestüzt ist, dass diese Mütter (und wahrscheinlich die ähnlich denkenden Väter) Kinder großziehen und ihnen diese Meinung anerziehen. Denn natürlich reflektieren kleine Kinder nicht die Meinung ihrer Eltern. Wie sollen diese Kinder denn den geflüchteten Kindern im Kindergarten oder der Schule begegnen. Was ist, wenn diese deutschen Kinder diese syrischen Kinder eigentlich gerne mögen? Geht es dann plötzlich nicht mehr um diese konkrete syrische Familie, sondern um irgendwelche anderen? Aber diese „anderen“ sind auch nur eine syrische Familie. Und WENN Integration funktioneren kann und soll, dann sind es doch eben die Kindergärten und Schulen dieses Landes, die das meiste Potential haben. Eben weil Kinder unvoreingenommen sind. Sie nehmen dieses andere Kind unabhängig von Herkunft und Aussehen an die Hand und bauen eine Sandburg, spielen auf dem Klettergerüst oder sonstwas. Und genau an dem Punkt kommen diese Kinder und späteren Erwachsenen in unserem Land an. Aber ängstliche Mütter und Väter verhindern das. Und das ist einfach keine Option. Ich verstehe nicht, warum man so etwas nicht reflektieren kann?! Lasst uns doch über Lösungsoptionen und -wege sprechen. Es geht doch nicht darum, dass sofort alles reibungslos und perfekt funktioniert. Es geht darum konstruktiv zu diskutieren und nicht einfach wegzusperren. Aus den Augen aus dem Sinn.

Die Hauptwählerschaft dieser fürchterlichen Partei sind offenbar Männer mittleren Alters. Ich denke, dass ich diese Menschen weder erreichen noch überzeugen kann. Anders als vielleicht Mütter, die hier ggfs. mitlesen. Trotzdem frage ich mich, wovor Männer mittleren Alters bei uns Angst haben. Uns geht es allen so gut wie nie. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie noch nie. Lasst uns jetzt nicht über Statistikkram reden. Es ist Fakt, dass unser Land so gut dasteht wie fast kein anderes Land. Wovor sollten wir Angst haben? Wie können wir es überhaupt wagen darüber nachzudenken, NICHT zu helfen? Welcher der AfD-Wähler hat sich denn schon mal engagiert? Bei Integration, bei der Unterstützung geflüchteter Menschen?

In meinem Job haben wir fast 1,5 Jahre mit einem syrischen Flüchtling zusammengearbeitet. Wie reagiert man, wenn er morgens in die Firma kommt und erzählt, dass ein Familienmitglied aufgrund einer Bombe in Syrien gestorben ist? Wie, verdammt nochmal, soll man da reagieren? Wie kann ich mir nicht wünschen, dass seine Familie lieber hier gewesen wäre und sie alle einander noch hätten? Wie kann ich denn glauben, dass es ihm nicht lieber wäre zu Hause sein zu können in Frieden?

Je mehr ich schreibe, desto mehr werde ich wütend. Wenn ich dann noch die Wählerwanderschaft aus einer christlichen Partei zu dieser neuen Partei anschaue, wird mir im Grunde schon schlecht. Gerade diese Konservativen, die sich scheinbar ihrer christlichen Werte so sicher sind und die Nächstenliebe dann aber verwehren. Da wo die Armen eigentlich noch ihr letztes Hemd geben, um einem noch Ärmeren zu helfen. Aber das ist wahrscheinlich nicht das Problem. Wir sind nicht arm und deshalb ist da diese Angst, dieses fette Polster zu verlieren. Und dabei haben wir seit der großen Flüchtlingswelle doch alle überhaupt nichts verloren. Rein gar nichts. Außer so mancher vielleicht seine Moral.

Vielleicht will sich so manch einer ja auch mal daran erinnern, dass es in unserer Geschichte Zeiten gab, wo wir als Deutsche geflohen sind. Vor Rassenhass und Krieg. Da gab es viele, die Sicherheit in anderen Ländern gesucht haben, weil das eigene Land sich selbst zerstörte. Was wäre, wenn andere Länder uns dann gesagt hätten…ach nee, dann lernen unsere Kinder aber nicht mehr genug, wenn da diese Deutschen dazukommen und unsere Sprache nicht richtig sprechen.

Laut Umfragen haben außerdem offenbar 60% der Wähler diese Partei aus Protest gewählt. Aus Unzufriedenheit mit den anderen Parteien. Aber BITTE, dann wählt die Tierschutzpartei oder sonstwen aus Protest. Wenn ihr zeigen wollt, dass euch die Politik aktuell nicht gefällt. Denn die AfD steht doch noch für viel mehr als nur das Flüchtlingsthema. Sie steht für Angst, Rückständigkeit und Diskrimierung.

Es geht auch um die Diskrimierung homosexueller Menschen und Paare. Ein Punkt, an dem ich mich immer nur Frage: was ist euer Problem? Wenn homosexuelle Paare heiraten dürfen…an welchem Punkt beeinflusst mich das? Ich freue mich, wenn Menschen sich lieben (im Gegensatz zu der vielen Angst und dem Hass anderer), ob sie das mit Trauschein oder ohne machen ist für mich total gleich. Es sollen doch alle heiraten, wen sie wollen. An welcher Stelle wäre das für mich persönlich denn ein Nachteil. Es ist ja nicht, als würde die heterosexuelle Ehe abgeschafft. Warum sollen nicht alle das Leben führen können, das sie sich wünschen. Es nimmt niemand jemandem etwas weg oder beeinflusst ihn. Wir gewinnen doch nur dazu. In diesem Zusammenhang kommt es mir bei einem Absatz besonders hoch, den ich euch hier zitieren möchte…aus dem Grundsatzprogramm dieser Partei (ich verlinke an der Stelle bewusst nicht):

„Das Klassenzimmer darf kein Ort der politischen Indoktrination sein. (…) Eine einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität im Unterricht lehnen wir ebenso ab, wie die ideologische Beeinflussung durch das „Gender-Mainstreaming“. Das traditionelle Familienbild darf dadurch nicht zerstört werden. Unsere Kinder dürfen in der Schule nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden.“

Es sind Punkte, die mich fassungslos zurücklassen. Anstatt zu begrüßen, dass junge Menschen, die vielleicht aufgrund innerer Gefühle verunsichert sind (denn Fakt ist, die meisten bekommen ja lediglich Heterosexualität vorgelebt), eine Erklärung finden oder aufgefangen werden, soll dieser Teil des Lebens einfach ignoriert werden. Damit wir zurück ins letzte Jahrhundert gehen und Menschen sich schämen und verstecken müssen. Denn Fakt ist doch auch, dass die sexuelle Orientierung schon immer vielfältig war, es lediglich Zeiten gab, in denen sich Menschen nicht getraut haben, darüber zu sprechen.

Aber ähnlich wie bei der Flüchtlingspolitik kommt hier wieder das Motto auf: wenn ich etwas wegdrücke oder einfach nicht sehe, dann ist es auch nicht da. Das strotzt vor einer Naivität, die ich kaum beschreiben kann.

Aber es geht ja thematisch auch noch weiter mit der Abschaffung des Euros oder mit dem Leugnen des Klimawandels und der Abschaffung der Energiewende.

Jeder einzelne dieser Punkte wäre ein Grund diese Partei nicht zu wählen, die Summe aller, macht sie zu einem Skandal. Aber selbst wenn ich diesen letzten Punkten zustimmen könnte (was ich ausdrücklich nicht tue), wäre einfach die Unmenschlichkeit dieser Partei ein Grund sie nicht zu wählen.

Das Problem bei diesem ganzen Thema ist, dass ich im Grunde vieles nicht diskutieren möchte, weil es einfach nichts zu diskutieren gibt. Bei Menschlichkeit gibt es keine Verhandlungsbasis. Andererseits verspüre ich den inneren Drang zu überzeugen, irgendwie klar zu machen, was Menschen da gewählt haben. Wer diese Partei „nur“ aus Protest wählt, ist einfach dumm. Denn man wischt damit nicht den „Politikern da oben“ einen aus, sondern Menschen auf der Straße, die so dringend unsere Hilfe brauchen. Man wählt ein Klima in dieses Land, dass man eigentlich gehofft hatte, dass es 1945 ein Ende gefunden hat.

Wahrscheinlich ist es nicht möglich, überzeugte Wähler umzustimmen. Aber diese 60%, die aus welchen Gründen auch immer dort ihr Kreuz gesetzt haben, die sollen zum Nachdenken angeregt werden. Bitte reflektiert, was ihr damit unserem Land antut. Seid konservativ, das ist mir total egal. Aber wählt doch nicht rechtes Gedankengut in unseren Bundestag. Wo ist die Empathie? Wo ist das Verständnis für Menschen, die woanders herkommen oder eben ein anderes Leben führen als ihr? Wo ist der Wille etwas gemeinsam anzupacken und Lösungen zu finden? Wo ist euer Anspruch, eure Kinder zu weltoffenen und toleranten Menschen zu erziehen?

Die Wahl ist vorbei und wir werden die nächsten 4 Jahre mit der Entscheidung leben müssen. Meine Hoffnung ist, dass sich diese Partei selbst demontieren wird. Schon heute distanzieren sich Mitglieder voneinander wegen zu hetzerischen Aussagen. Das sagt doch schon alles aus.

Bitte tut zukünftigen Generationen eine solche Welt, wie es diese Partei anstrebt, nicht an. Sie wird geprägt sein von Hass, Ablehnung, Angst und Unverständnis. Ich für meinen Teil möchte mein Kind nicht in so einer Welt sehen.


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