Lange habe ich nichts über das Mama-sein geschrieben. Es fühlte sich nicht danach an und dann schreibe ich auch nicht. Jetzt hat es mich mal wieder in den Fingern gejuckt. Auch wenn ich den Artikel wahrscheinlich noch 100 Mal hinterfragen werde.
Aber es gibt Themen, die so selten besprochen werden. Und ich finde, es sollte diese Themen nicht geben. Man erfährt immer dieses schwarz und weiß. Kinder haben ist das einzig Wahre. Oder Kinder zu haben ist so furchtbar und anstrengend und überhaupt. Und dabei ist doch beides wahr. Die Liebe zu unseren Kindern ist (in der Regel) unumstößlich, übermächtig und immer da. Auch wenn diese Beziehungswelt hin und wieder durch Anstrengung, Stress und Verzweiflung gestört wird.
Und genau das wurde sie bei uns in der letzten Zeit phasenweise massiv. Im letzten Winter schon hatten wir eine furchtbar anstrengende Zeit. Da lag unsere Tochter viel auf dem Bürgersteig und schrie. Weil sie nicht wollte. Egal was. Auch nicht nach der 10. Ankündigung, Kompromissen, Versprechungen. Sie wollte nicht.
Nach einem verhätnismäßig entspannten und für alle Nerven wohltuenden Sommer, waren wir im Dezember wieder zurück. Wir alle wissen, dass unsere Kinder willensstark und trotzig sein können. Auch in diesen entspannten Sommern. Aber manchmal nehmen dieser Trotz und diese Kämpfe ein Ausmaß an, das nach und nach die Nerven zugrunde richtet. Vor allem, wenn es um täglich wiederkehrende Prozesse geht, die jeden einzelnen Tag mehrfach durchgekämpft werden müssen.
Wenn dann noch die Nächte entsprechend laufen, sind auch die letzten „ich-gehe-aus-dem-Zimmer-und-atme-durch“ Strategien aufgebraucht. Nicht mehr hilfreich. Denn die Nerven liegen dauerhaft blank und das Wissen darüber, dass Schritt X oder Y jetzt auf jeden Fall wieder eine Eskalation mit sich bringt, lässt schon innerlich alle Muskeln verkrampfen.
Manchmal möchte ich nicht mehr diskutieren. Ich habe dann keine Energie mehr für die täglichen Überredungs-, Verständnis-, Wohlfühlstategien. Weil ich mich selbst nicht mehr wohl fühle. Sondern traurig, genervt und wütend bin. Und gerade weil ich so lange versuche die Ruhe zu bewahren, Verständnis aufzubringen, bricht es irgendwann durch. Die Wut. Und plötzlich fange ich an zu schreien. Wut, Verzweiflung, Ratlosigkeit und Überforderung laufen über. Ich spüre die Tränen aufkommen. Will nur noch weg und renne aus dem Zimmer. Knalle die Tür zu. Werfe irgendeinen Gegenstand gegen die Wand, weil ich mit meinen Emotionen nicht mehr weiß wohin.
Im Zimmer höre ich meine Tochter weinen. Sie weint, weil sie ihren Willen gerade nicht bekommt und ebenso wütend ist. Sie weint, weil sie meine Wut und Tränen sieht und weil ich sie gerade türknallend in ihrem Zimmer zurückgelassen habe.
Und dann kommen noch mehr Tränen bei mir. Weil ich weiß, dass das gerade alles einfach nur scheiße war und ich es hasse, zu schreien. Ich gehe zurück und sehe zwischen meinen Tränen die Tränen meines Kindes. Ich bin immer noch wütend, aber nicht mehr im Explosionsmodus. Ich nehme mein Kind fest in den Arm und drücke es erstmal wortlos. Und dann fange ich an zu reden. Ich versuche ihr zu erklären, was gerade passiert ist. Warum ich so wütend geworden bin. Und je nach Situation entschuldige ich mich für das Türenknallen. Denn das musste tatsächlich nicht sein. Aber in dem Moment war klares Denken nicht mehr möglich.
Abends sitze ich da und grüble. Ich zweifle an mir als Mutter. Ich zweifle an meinem Gemütszustand. Ich zweifle daran, dass ich alles im Griff habe. Und ich frage mich, wie überhaupt irgendjemand zwei Kinder haben kann. Ich zerfalle innerlich.
Ich weiß, dass jeder angestrengt ist. Und mir ist klar, dass es in jeder Familie Streit gibt. Mich erschreckt manchmal das Ausmaß meiner Wut, die so ein kleiner Mensch in einer im Grunde Alltagssituation auslösen kann. Es gibt wenige Menschen, mit denen man über diese Wut sprechen kann.
Ich höre: „Du bist doch immer relativ entspannt mit Deiner Tochter!“ Ich höre: „Ich bin auch manchmal sauer!“ Aber man hat niemals einen Einblick hinter die Mauern. Natürlich bin ich zu Hause anders, als auf der Straße. Mein Kind ist auch zu Hause anders, als auf der Straße. Wenn ich höre, dass irgendein Kind auch mal bei der Farbe des Tellers motzt, dann meine ich aber was anderes. Etwas viel intensiveres. Vielleicht ist es auch nicht intensiver, sondern nur in einer höheren Schlagzahl als bei manch anderen.
Aber genau das weiß ich nicht. Eine liebe Freundin sagte mir, dass sie kürzlich auch aus Wut einen Teller zerschlagen hat. Und wisst ihr was? Das war schön zu hören. Es war auch schön zu hören, dass jemand mal sagt: ja, Dein Kind ist schon sehr willensstark.
Warum das wichtig ist? Von anderen mal zu hören, dass man selbst nicht zu schwach ist. Sondern möglicherweise tatsächlich intensiveren Diskussionen ausgesetzt ist. Das klingt an der Stelle so banal und ist doch Balsam auf der Seele.
Kürzlich sprach ich mit jemandem, bei dem ich auch äußerte, dass es mich belastet, mit kaum jemandem dieses Thema mal besprechen zu können. Zurück kam: „Du redest halt viel mehr darüber als andere.“ Ja, das ist wohl so. Weil es mich beschäftigt. In meiner Selbstreflektion als Mensch und als Mutter. Vielleicht zweifeln andere einfach weniger an sich, was sicherlich sehr gesund ist. Vielleicht können das andere besser mit sich ausmachen. Ich hingegen zerfalle innerlich, wenn ich nicht von außen Input bekomme. Ich muss mich messen, ich brauche eine Leine. Ist das alles übertrieben? Ist das alles wirklich so anstrengend? Muss ich an mir arbeiten? Oder muss ich einfach die Augen zumachen und durchrennen durch diese Phase? Letztlich ist wahrscheinlich letzteres der Fall. Und gleichzeitig so schwer, weil man niemals weiß, ob diese Phase nächste Woche oder in einem halben Jahr endet.
Ich habe zwei tolle Mütter um mich, die mir jede auf ihre Weise in den vergangenen Wochen mit ihren Worten viel über den Kopf gestreichelt haben. Eine von beiden kam einmal beim Treffen wortlos auf mich zu und nahm mich einfach lange in den Arm. Mehr braucht es manchmal nicht, um wieder Kraft, Geduld und Verständnis für den nächsten Tag zu sammeln.
Für alle, denen es genauso geht: gebt nicht auf jemanden zu suchen, der euch versteht und der ehrlich zu euch ist. Redet über euch und redet über eure Kinder. Jedes ist auf seine Weise speziell und auch ihr seid auf eure Weise speziell. Ihr seid nicht alleine, auch wenn die Gespräche meist über „heute war anstrengend“ nicht hinausgehen. Aber da ist noch mehr. Reden ist der Balsam, den man manchmal für die neue Energie braucht. Jeder, der das gerade braucht, den möchte ich mit diesem Text mal ein bißchen in den Arm nehmen.
Übrigens: hier hat sich nach wenigen Wochen (und nicht wieder erst nach einem halben Jahr) alles wieder eingependelt. Und das Kind hat sowohl sprachlich als auch in der Feinmotorik einen riesigen Sprung gemacht. Und plötzlich platzt man vor Stolz und nicht mehr vor Wut. Und trotzdem hilft dieses Wissen in solchen schwierigen Phasen nicht. Objektive Wahrheiten helfen blanken Nerven nicht. Da helfen nur warme Worte und große, liebevolle Arme. Bitte, seid füreinander da!