Kürzlich erreichte mich eine kurze Mail. „Hallo Nina, ich wohne und studiere in Mainz und habe einen Roman geschrieben.“ Ob ich mal Lust hätte, ihn vorzustellen/zu erwähnen, es sei aber „nur“ das Erstlingswerk. Ein bißchen Angst habe ich in solchen Fällen immer, denn was, wenn mir das Buch nicht gefällt? Vorstellen möchte ich nichts, wohinter ich nicht stehe. Einem Autor zu sagen, dass man sein Buch nicht so dolle findet, ist aber auch nicht so einfach. In diesem Fall habe ich zugesagt und wurde alles andere als enttäuscht. Und weil ich nicht nur das Buch, sondern auch die Person – die hier übrigens nur unter dem Autoren-Pseudonym genannt wird – so interessant fand, hat es alles zusammen in diese Kategorie geschafft.
Es geht um das Buch „In unseren Köpfen war Frau Schwarz ein Schwan“ von Hauke Wenzel. Ein verhältnismäßig kurzes und flüssig zu lesendes Buch, in einem Stil, den möglicherweise nicht jeder mag, mich alten Grübler aber total mitgenommen hat. Wer dazu tendiert, gerne gedanklich zu reisen, für den ist es auf jeden Fall richtig.
Es geht um drei Studenten, die sich in einer Partynacht zufällig kennenlernen. Alle befinden sich in ihrer eigenen Identitätskrise oder Findungsphase und starten darüber zu philosophieren, ob sie eigentlich Herr über ihr eigenes Leben sind. Werden sie fremdbestimmt und wie Protagonisten eines Buches durch ihr Leben getrieben oder sind sie Protagonist und Autor ihres Lebensweges zugleich.
Zu dritt erfinden Sie eine Geschichte. Die Geschichte der „Maeren“, die sich – während die drei durch die Nacht laufen – immer weiter entfaltet. Die „Maeren“ sind ein Volk, das von den Menschen bedroht wird. In ihre Welt dringen bedrohliche Wesen ein, die unglücks- und todbringend sind. Die drei Studenten sind wiederum in diese Fantasiewelt der „Maeren“ eingedrungen und versuchen sie nun zu retten.
Ich gebe zu, die Beschreibung spiegelt nur mäßig wider, wie toll das Buch geschrieben ist. Es geht nämlich nicht nur um die Geschichte, sondern auch um die Ebenen, mit denen immer wieder gespielt wird. Wenn einer der Protagonisten den anderen darauf hinweist, gerade ein Wort falsch „geschrieben“ zu haben, obwohl sie sich im Buch gerade unterhalten. Schwierig zu beschreiben, aber für mich macht es die Vielfalt des kurzen Buches aus.
Ein bißchen habe ich Angst, dass das alles hier nicht überzeugend rüberkommt. Aber ich lege es euch wirklich sehr ans Herz! Probiert es aus. Und weil meine Worte so stelzig rüberkommen, habe ich lieber den Autor selbst mal zu Wort kommen lassen.
Du schreibst unter dem Pseudonym Hauke Wenzel. Wie kam es zu dem Namen und warum verwendest Du ein Pseudonym?
In unseren Köpfen war Frau Schwarz ein Schwan ist mein erstes Buch, vor dem ich noch nie einen belletristischen Text verfasst habe, der länger war als eine E-Mail. Ich wusste daher am allerwenigsten, was ich von meinem Roman halten sollte, als ich ihn auf den Markt schmiss und wollte mich so lieber anonym halten. Der Name Hauke Wenzel ist aber schon sehr persönlich mit mir verknüpft – wenn ich das nun auflösen würde, wäre aber seine Wirkung dahin.
Du studierst ja aktuell noch in Mainz und hast mit “In unseren Köpfen war Frau Schwarz ein Schwan” Dein erstes Buch herausgebracht. Wie kam es dazu? Und wie fühlt es sich an, das eigene Buch in den Händen zu halten?
Da ich in meinem Studium ohnehin den ganzen Tag nur lese und schreibe, dachte ich irgendwann, warum es nicht einmal interessant machen? Und einfach das schreiben, was mich wirklich bewegt. Hab ich dann auch gemacht. Dass es bis zu einem fertigen Buch so viel Arbeit bedarf, hätte man mir vorher auch wirklich nicht sagen dürfen, sonst hätte ich nie mit dem ersten Satz begonnen. Aber es dann am Ende in den Händen zu halten, war einerseits ein wahnsinnig schönes Gefühl, andererseits muss ich zugeben, dass ich es noch nicht ein Mal in seiner gedruckten Version gelesen habe, aus Angst, wieder etwas an dem Text ändern zu wollen und nicht mehr zu können.
Im Buch taumelt, rennt und philosophiert man mit drei Studenten durch die Nacht. Es geht um die Frage, ob man Autor seines eigenen Lebens ist oder ein fremdgesteuerter Protagonist. Eine wesentliche Frage unserer Generation?
Eine ganz wesentliche und vor allem eine, auf die ich keine Antwort weiß. Es wäre wohl überheblich, wenn ich für eine ganze Generation spräche, aber ich glaube, gerade viele junge Leute versuchen in unserer Welt – in der man alles sein kann, aber vor allem erst einmal nichts ist – möglichst schnell einen Weg einzuschlagen, in der Hoffnung, dass er den Ansprüchen genügt. Den Ansprüchen der Eltern, der Arbeitgeber, der Gesellschaft. Nach den eigenen fragt man nicht. Manche bemerken es gar nicht und rennen bis zum Ende. Andere fragen sich nach einigen hundert Metern, ob sie tatsächlich der eigene Wille diesen Weg hat einschlagen lassen. Nach Richard David Precht: „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ Sehr viele. Nur manchmal nicht man selbst.
In der Geschichte erfinden die drei Protagonisten die Geschichte der Maeren. Wie kam es zu dem Gedanken, ein neues Fantasie-Volk zu erschaffen?
Das war nicht meine Idee, das waren meine Figuren. Muss ich wirklich so sagen. Ich hatte noch überhaupt keine Ahnung von dem Maeren-Volk, dachte mir noch ‚Fantasie finde ich lahm‘ und schon legten die drei Protagonisten genau mit dieser Fantasie-Welt los und ich musste ihnen folgen.
Frau Schwarz ist zum einen die konservative und kontrollierende Nachbarin. Zum anderen tritt sie in der Fantasie-Geschichte als aggressiver und zerstörerischer Schwan auf. Ist sie das zerstörende Element des selbstbestimmten und freien Lebens?
Für mich ist sie das. Es hat wohl jeder seine eigene Frau oder Herr Schwarz, für mich ist es tatsächlich die konservative und kontrollierende Nachbarin. Sie muss nicht in der Nachbarschaft wohnen, Frau Schwarz gibt es überall, sie ist ein richtiges, deutsches Kulturgut. Es sind eben diese Spießbürger, deren Lebenselixier darin liegt, sich hinter ihren Spitzengardinen über freilaufende Hunde, Falschparker und Ausländer zu beschweren und die tatsächlich meinen, sie hätten ihre Doppelhaushälfte mit akkurat getrimmten Rasen mehr verdient als die Leute im Hochhaus gegenüber. Da muss ich die Straßenseite wechseln, so wütend machen mich diese Leute.
Was empfandest Du als besonders schwierig daran, ein eigenes Buch zu publizieren und was hast Du gelernt?
Ich habe vor allem gelernt, dass der Deutsche Büchermarkt nichts mit der Romantik zu tun hat, die von seinem Medium, von verheißungsvoll bedrucktem Papier zwischen zwei Buchdeckeln, ausgeht. Wenn man als junger Autor hört, dass unter 10.000 eingereichten Manuskripten genau eines veröffentlicht wird (Ohne Selfpublisher-Verlage natürlich. Ich bin also schon mal raus.), fragt man sich dann doch, ob man in seiner Freizeit nicht lieber Socken stricken möchte – oder irgendetwas anderes mit weniger Konkurrenzkampf.
Ich kann aber nicht stricken und besuche daher jetzt Schreibkurse, lese viel, lese anders, schreibe noch mehr, um mich in meinem nächsten Buch zu verbessern.
Wird es weitere Bücher von Dir geben? Hast Du schon Ideen?
Und wie! Das ‚Schreib-Fieber‘ (Ja, das gibt es wirklich. Schlimme Krankheit.) lässt sich nicht mehr auskurieren und hält mich nun Nächte lang wach. Bringt meinen Uni-Noten nicht viel, macht aber furchtbar Spaß. Und da mein Erstlingswerk ja durchaus noch Luft nach oben für Verbesserungen meiner Schriftstellerfähigkeiten gibt bleibe ich selber gespannt, wohin mein wackeliges Standbein als Autorin seinen nächsten Schritt tut.
PS: Letzte Frage, die dem Autor selbst noch auf der Zunge brennt: Bedanke ich mich ganz herzlich bei Nina, dass meine Worte in ihrem so urgemütlichen Mainzer Wohnzimmer platznehmen durften? Und wie ich das tue!
Lieben Dank Hauke, für das tolle Interview. Es hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht, Dein Erstlingswerk zu lesen.